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Mittwoch, 25. November 2015

015 Der Sizilianer

Der weißhaarige Sizilianer mit der Hornbrille, auf dem Kopf einen Hut aus der Zeit, als die Mafia noch groß war, geht diesen Abend wieder von Tisch zu Tisch und von Kneipe zu Kneipe, schmettert italienische Schlager mit einem Pathos in der Stimme, dass so mancher Opernsänger neidisch werden könnte. Er trägt seinen gefährlichen Anzug und um den dünnen Hals eine schlecht geknotete Krawatte - rot wie Blut. In einer versteckten Tasche verbirgt er eine Pistole, die manchmal aufblitzt, wenn das Licht einer Straßenlaterne auf sie fällt. Er verwickelt dich in ein Gespräch und den Damen gibt er in galanter Handbewegung Feuer. Er dreht sich um dich, als wollte er dich wie ein Opfer einkreisen, bis es kein Entrinnen mehr gibt. Nur das Körbchen, mit dem er Münzen sammeln geht, will nicht so recht zu ihm passen, und auch nicht die Freundlichkeit, die hinter dem Messer zwischen seinen Zähnen hervorblitzt. Als die Arbeit getan ist, setzt er sich ins „Grüneberg“ an einen leeren Tisch, sieht ein wenig entrückt den hin und her laufenden Fußballern auf dem Flachbildschirm zu und nippt ab und zu an der Tasse Pfefferminztee, die er hier allabendlich umsonst erhält. Dazu gibt’s als Wegzehrung ein paar neue italienische Flüche oder ein paar Machosprüche, die ihm die Kellner ebenfalls kostenlos kredenzen. Das ist alles, was er jetzt noch braucht für den Heimweg in die sommertrunkene Hamburger Nacht.

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